TAX TUESDAY: BMF: unbefristete und zinslose Stundung bei Wegzügen in die Schweiz in sog. Altfällen

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Worum geht’s?

Im neuen BMF-Schreiben vom 02.06.2025 legt die Finanzverwaltung ihre geänderte Auffassung zur Besteuerung für vor dem 01.01.2022 erfolgte Wegzüge (sog. Altfälle) in die Schweiz nach § 6 AStG dar. Das BMF äußert sich darin zu den Folgen des EuGH-Urteils vom 26.02.2019 („Wächtler“ – C-581/17) unter Berücksichtigung des darauffolgenden BFH-Urteils vom 06.09.2023 (I R 35/20).

Hintergrund

Der EuGH führte in seinem sog. „Wächtler“-Urteil aus, dass die sofortige deutsche Besteuerung der Wertzuwächse von Gesellschaftsanteilen (sog. Wegzugsbesteuerung) im Falle von Wegzügen in die Schweiz nicht mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz zu vereinbaren sei. Ausschlaggebend für diese Beurteilung sei die finanzielle Belastung, die für Personen im Zeitpunkt ihres Wegzugs entsteht. Demgegenüber müssten Personen, die ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten, den Wertzuwachs erst im Zeitpunkt der Realisierung – d.h. bei Veräußerung der Anteile – versteuern. Der EuGH sah in dieser Ungleichbehandlung eine unverhältnismäßige Einschränkung der Niederlassungsfreiheit.

Das Urteil des EuGH wurde sowohl von der Finanzverwaltung als auch der nationalen Rechtsprechung aufgegriffen. Mit Schreiben vom 13.11.2019 verkündete das BMF fortan auf Antrag eine verzinsliche Stundung der Steuer über fünf Jahre zu gewähren. Auch der BFH hat mit Urteil vom 06.09.2023 (I R 35/20) bestätigt, dass für sog. Altfälle bei Wegzügen in die Schweiz eine dauerhafte und zinslose Stundung zu erfolgen hat.

Die Urteile beziehen sich jeweils auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des ATAD-Umsetzungsgesetzes am 30.06.2021. Durch das ATAD-Umsetzungsgesetz wurde die Wegzugbesteuerung gemäß § 6 AStG umfassend reformiert und verschärft. Unter anderem sieht das Gesetz seitdem keine unbefristete und zinslose Stundung mehr vor – unabhängig davon, in welches Land der Wegzug erfolgt. Die Neufassung steht damit in einem erkennbaren Widerspruch zur EuGH-Entscheidung.

Inhalt des BMF-Schreibens vom 02.06.2025

Das BMF stellt in seinem neuen Schreiben nun klar, dass bei Wegzügen vor dem 01.01.2022 eine unbefristete und zinslose Stundung der Wegzugbesteuerung nach § 6 AStG a.F. rückwirkend erfolgen kann. Die Stundung wird jedoch nur auf Antrag und i.d.R. gegen Sicherheitsleistung gewährt. Darüber hinaus muss eine konkrete Betroffenheit des Freizügigkeitsabkommens vorliegen, bspw. aufgrund der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz. Die Stundung kann jedoch auch widerrufen werden, soweit eine substanzielle Gewinnausschüttung erfolgt, § 21 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AStG analog. Für die Auswirkungen von substanziellen Gewinnausschüttungen auf den Steueranspruch vgl. unser Beitrag vom 27.05.2025.

Das Schreiben sieht zudem auch dann die Möglichkeit einer rückwirkenden Stundung vor, wenn der entsprechende Steueranspruch bereits durch Zahlung oder Aufrechnung erloschen ist. Ein sich aus der Stundung ergebender Erstattungsanspruch ist ab dem Zeitpunkt zu verzinsen, ab dem alle Stundungsvoraussetzungen vorliegen.

Ausblick

Das BMF-Schreiben ist insoweit zu begrüßen, als dass nun die Grundsätze des Wächtler-Urteils zumindest für Altfälle mit Schweiz-Bezug Berücksichtigung finden. Ob und inwieweit die Urteilsgrundsätze auch für Wegzüge nach dem 31.12.2021 Anwendung finden, äußert sich das BMF-Schreiben nicht. Es daher wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich die obersten Gerichte künftig mit der Neuregelung und deren Vereinbarkeit mit den EuGH-Grundsätzen befassen müssen.

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Christian Schöler
Partner
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