Sonderinformation | BAG erklärt Verfallklauseln bei virtuellen Aktienoptionen für unwirksam

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Neue Einblicke zur BAG-Entscheidung vom 19. März 2025 (10 AZR 67/24) – was das vollständige Urteil zur rechtlichen Behandlung virtueller Aktienoptionen beinhaltet und welche Folgen sich hieraus für die Praxis ergeben.

Überblick

Am 19. März 2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Verfahren 10 AZR 67/24 ein bedeutendes Urteil zur Zulässigkeit von Verfallregelungen bei virtuellen Aktienoptionen im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen getroffen (wir berichteten am 27.03.2025).

Die nun vorliegenden Urteilsgründe erlauben einen vertieften Einblick in die Entscheidung des BAG, mit welcher bislang akzeptierte Regelung zum Verfall bereits gevesteter virtueller Optionen nach Eigenkündigung des Arbeitnehmers für unwirksam erklärt wurden.

Recap: Sachverhalt und rechtliche Fragestellung

Im Mittelpunkt des Sachverhalts stand ein Arbeitnehmer, der im Rahmen eines virtuellen Beteiligungsprogramms (Employee Stock Option Programs, ESOP) virtuelle Optionen erhielt. Die Optionen unterlagen einer vierjährigen Vesting-Periode. Die Optionsbedingungen sahen Regelungen vor, wonach bei Eigenkündigung bereits erworbene Optionen sofort verfallen sollten. Zusätzlich war ein doppelt so schneller Verfall – ein sogenanntes beschleunigtes „De-Vesting“ – nach Ende des Arbeitsverhältnisses vorgesehen.

Das BAG hat deutlich gemacht, dass solche Klauseln einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten und den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen.

Wesentliche Erkenntnisse aus den vollständigen Urteilsgründen

  1. Virtuelle Optionen als Entgeltbestandteil
    Das BAG stellt klar, dass auch virtuelle Optionen eine Gegenleistung für geleistete Arbeit während der Vesting-Phase darstellen. Dieser Vergütungsanspruch kann nicht nachträglich durch einseitige Vertragsbestimmungen entzogen werden. Bemerkenswert ist, dass das BAG damit ausdrücklich von seiner bisherigen Rechtsauffassung seit einer Entscheidung aus dem Jahr 2008 distanziert und virtuelle Optionen nunmehr mit klassischen Sonderzahlungen gleichsetzt – ein Paradigmenwechsel zugunsten des Arbeitnehmerschutzes.
  2. AGB-rechtliche Bewertung der Verfallklauseln
    Obwohl die Klauseln formal verständlich und klar formuliert waren, bewertete das BAG sie inhaltlich als unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der zentrale Kritikpunkt lautete, dass aufgrund des Entgeltcharakters der virtuellen Optionen die vorgesehene Verfallklausel auch unter Berücksichtigung der verfolgten Zwecke des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen, da unangemessen in das entstandene Entgeltrecht des Arbeitnehmers eingegriffen werde.
  3. Unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit
    Ein weiterer zentraler Aspekt der Entscheidung betrifft die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG. Denn die streitgegenständlichen Regelung, die zu einem sofortigen Verfall sämtlicher ungevesteter und auch gevesteter Optionen bei einer Eigenkündigung führen, beeinträchtigen dieses Grundrecht erheblich. Denn Arbeitnehmer müssten selbst bei berechtigten Gründen für eine Eigenkündigung ein langjähriges Verbleiben im Unternehmen in Kauf nehmen, um keinen finanziellen Verlust zu erleiden. Auch der bisherigen Argumentationslinie, dass es sich bei den virtuellen Optionen lediglich um eine Beteiligungschance an der Wertsteigerung des Unternehmens handle, trat das BAG entgegen.
  4. Unverhältnismäßigkeit der „De-Vesting“-Regel
    Zuletzt stufte das BAG auch einen doppelt beschleunigten Verfall angesparter Optionen nach Vertragsende als unzulässig ein – lies auf der anderen Seite jedoch erkennen, dass Regelungen, die sich an der ursprünglichen Vesting-Logik orientieren, Bestand haben könnten.

Was bedeutet das Urteil für die Praxis? Was bleibt offen?

Die Entscheidung stellt Unternehmen vor die Aufgabe, eingerichtete Mitarbeiterbeteiligungsprogramme auf ihre rechtliche Tragfähigkeit hin zu überprüfen, sich der Tragweite der Entscheidung des BAG bewusst zu werden und gegebenenfalls bestehende Verfallklauseln anzupassen.

Die Auswirkungen der Entscheidung sind dabei nicht nur bei der Ausgabe neuer Anteile mitzudenken, sondern insbesondere auch im Falle der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, um insbesondere das Risiko einer unrechtmäßigen Mehrfachausgabe (z.B. bei vermeintlich verfallenen Optionen) zu vermeiden.

Einstweilen noch offen bleibt, inwieweit auch andere „Bad Leaver“-Klauseln – insbesondere Regelungen bei verhaltensbedingter oder außerordentlicher Kündigung – rechtlich haltbar sind. Die aktuelle Entscheidung des BAG liefert hierauf keine eindeutige Antworten, sodass die künftige Rechtsprechung abzuwarten bleibt.

Fazit

Das Urteil des BAG vom 19. März 2025 markiert eine Zäsur in Bezug auf die arbeitsrechtliche Bewertung virtueller Aktienoptionen und stärkt durch die Betonung des Entgeltcharakters die Schutzrechte der Arbeitnehmer erheblich.

Dies zwingt Arbeitgeber zwar einerseits zu einer Neubewertung ihrer virtuellen Aktienoptionsprogramme, um rechtliche Risiken zu vermeiden und ihre Beteiligungsmodelle zukunftsfest zu gestalten. Gleichzeitig bietet die Entscheidung die Chance, transparente und rechtlich belastbare Beteiligungsprogramme zu entwickeln und damit einen wichtigen Beitrag zur Mitarbeiterbindung und zur Förderung unternehmerischer Loyalität zu schaffen.
Wir unterstützen Sie jederzeit bei der Prüfung bestehender Beteiligungsprogramme als auch etwaig erforderlichen Neugestaltungen und Begleiten Ihr Unternehmen durch potentiell kritische Situationen wie dem Ausscheiden von Mitarbeitern.

Ihre Ansprechpartner 

Dr. Viktor Stepien | Partner, Rechtsanwalt

Franziska Riegler | Rechtsanwältin

Die Sonderinformation als PDF-Datei finden Sie hier. 

Bitte beachten Sie, dass es sich bei den vorstehenden Ausführungen um vereinfachte allgemeine Hinweise zur Rechtslage handelt, die spezifische Einzelfallaspekte nicht berücksichtigen

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