Gemäß § 15a Abs. 4 EStG werden die nicht sofort ausgleichs- oder abzugsfähigen Verluste eines Kommanditisten jährlich gesondert festgestellt. Sie können grundsätzlich in den nächsten Wirtschaftsjahren nur mit den Gewinnen aus der Beteiligung an derselben Gesellschaft verrechnet werden. Gleiches gilt gemäß § 10a GewStG für die Verrechnung von gewerbesteuerlichen Verlustvorträgen.
Bei entschädigungslosem Ausscheiden der Komplementärin aus einer zweigliedrigen KG geht das Vermögen im Wege der Anwachsung auf die alleinige Kommanditistin über. Bisher war unklar, ob die gesondert festgestellten verrechenbaren Verluste der Kommanditistin aus Zeiten vor der Anwachsung und die gewerbesteuerlichen Verluste bei der übernehmenden Gesellschafterin danach weiterhin nutzbar sind.
Im Urteil vom 19.03.2025 (XI R 2/23) äußert sich der BFH zu diesen Fragestellungen und schafft Klarheit im Rahmen der Verlustnutzung in Anwachsungsfällen.
In seinem Urteil vom 19.03.2025 entschied der BFH, dass die verrechenbaren Verluste nach § 15a Abs. 4 EStG aufgrund der Anwachsung der KG auf die GmbH nicht untergehen und weiterhin für die GmbH nutzbar sind. Allerdings werden die verrechenbaren Verluste durch die Anwachsung nicht in ausgleichsfähige Verluste umqualifiziert, so dass lediglich eine Verrechnung mit Gewinnen aus künftigen Wirtschaftsjahren nach § 15a Abs. 2 EStG möglich ist.
Gleiches gilt auch für die gewerbesteuerlichen Verlustvorträge nach § 10a GewStG. Diese können zumindest dann von der GmbH genutzt werden, wenn die Tätigkeit der KG im Zeitpunkt der Anwachsung bei der GmbH noch nicht vollständig eingestellt war. Es ist nicht notwendig, dass sich der ursprüngliche Betrieb der KG noch bei der GmbH identifizieren lässt. Da die Tätigkeit der KG im vorliegenden Fall noch nicht vollständig, sondern nur weitgehend eingestellt war, war dieses Erfordernis erfüllt.
Darüber hinaus muss eine sogenannte Unternehmensidentität vorliegen. Unternehmensidentität ist anzunehmen, wenn weiterhin der gleiche Gewerbebetrieb unterhalten wird, wie im Jahr der Verlustentstehung. Dieses Merkmal ist bei einer Kapitalgesellschaft zumeist unkritisch, da die Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG grundsätzlich stets vollumfänglich als Gewerbebetrieb gilt. Die Änderung ihrer wirtschaftlichen Betätigung einer Kapitalgesellschaft berührt daher ihre Unternehmensidentität nicht, solange weiterhin derselbe einheitliche Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG existiert.
Dieser Rechtsanwendung steht auch nicht der Zweck des § 15a EStG entgegen, den steuerrechtlichen Verlustausgleichs des Kommanditisten auf dessen zivilrechtlichen Haftungsumfang zu beschränken. Die übernehmende GmbH haftet ebenfalls mit ihrem gesamten Vermögen. Dass die Haftung Rechtsformbedingt auf dieses eigene Vermögen beschränkt ist, steht dem nicht entgegen.
Die Entscheidung deckt sich mit einem früheren Urteil des BFH, wonach ein Gewerbeverlust, der im Wege der Anwachsung von einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft übergeht, weiterhin von der übernehmenden Kapitalgesellschaft genutzt werden kann.
Das Urteil des BFH stärkt die steuerliche Planungssicherheit, da Unternehmensumstrukturierungen in der dargestellten Konstellation ohne den Verlust von Steuersubstrat möglich sind. Voraussetzung dafür ist, dass die Tätigkeit der KG nicht vollständig beendet wurde. Offengelassen wurde dagegen die Frage, ob die Übernahme der Verluste durch die Kapitalgesellschaft auch dann möglich sein könnte, wenn die unternehmerische Tätigkeit der Personengesellschaft bereits vor der Anwachsung vollständig beendet wurde.
Christian Schöler | Partner, Steuerberater